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Arbeit am Tonfeld

Ein Kasten aus Holz, 38 mal 42 Zentimeter groß, vier Zentimeter tief, gefüllt mit etwa zehn Kilo glattgestrichenem feuchten Ton (ein Gewicht, mit dem man noch gut umgehen kann) und eine Schale mit Wasser.

Gearbeitet wird auch mit geschlossenen Augen. Die Konzentration auf die sinnliche Wahrnehmung der Hände im Tasten, Streichen, Greifen oder Schieben wird dadurch erleichtert - für manchen ist das überhaupt erst ohne das kontrollierende Auge möglich. Bei der Arbeit am Tonfeld geht es um den Prozess, der die Beziehung eines Menschen zu sich selbst und zu seiner Umwelt sichtbar macht - wie auf einem Bildschirm: auf kleinstem Raum, mit einem Material, das gut formbar ist aber nur begrenzt zur Verfügung steht.

 

Sich selbst "(be)greifen“

Das Feld aus Ton bietet den Händen die Möglichkeit zu begreifen. In der Berührung mit dem Ton kann sich Gefühl, Affekt und Projektion entfalten und so frühere Beziehungen spiegeln. Das Feld ist eine Urmaterie, mit der sich Erfahrungen, vor allem in der Begegnung mit dem "Anderen", gestalten und umgestalten lassen.
Die Hände auf dem Feld können meist nicht anders als sich bewegen (es sei denn, ihre spontanen Impulse sind etwa in Schrecken erstarrt; dann ist diese Erstarrung ihre Art und Weise auf Wahrnehmungen in Beziehungen zu reagieren - dann ist das der Teil, der lebendigen Kontakt sucht).
Der Ton ist das Gegenüber. So könnte die Erfahrung "der Ton ist kalt" eine distanzierte Bewegung oder aber ein kräftiges Wegschieben aufkommen lassen, je nachdem, wie die Erfahrungen waren. In den Gestalten, die der Ton annimmt, kommt zum Ausdruck, was sich im Laufe des Lebens leibhaftig an Erfahrungen eingeschrieben hat: Mangel, Kälte, Drohung, Ablehnung, aber auch Freude und Lust.
Dadurch, dass diese Muster greif- und sichtbar werden, wird auch ein Umgang damit möglich. Dazu gehört auch ein Begleiter, der weiß, was die bewegenden Hände ausdrücken: Qualitäten von Verhinderung, von Beziehungssuche und Krise. Vor allem soll er die vorhandenen Ressourcen erkennen und dadurch helfen, ein Steckenbleiben in Bedingungen zu verhindern - ein Geburtshelfer im Schöpfungsakt.


Beziehung entsteht

In jedem schöpferischen Geschehen formt sich das Ich. Aus einem anfänglichen diffusen Zumutesein ("kalt", "mit Widerstand",...), oder aus einer Empfindung des symbiotischen Verbundenseins, oder aber aus einem Verstricktsein mit dem ungestalteten Material wird nach und nach geformt.
Dieser Gestalt gegenüber kann ein Standpunkt eingenommen werden. So wird auch die eigene Position wahrgenommen - es entsteht eigener Boden. Der Prozess des Ich-Werdens kann im Tonfeld eingesehen werden. Das kindliche Matschen und Quatschen, Eingraben, Gräbenziehen und Wasserschütten ermöglicht das Eintauchen in ein grundlegendes, vegetativ-leibliches Erleben.
Die Lust der Hände am Kontakt, an Berührung und Hingabe an das Material im Streichen und Greifen gewinnt irgendwann die Oberhand gegen Abwehr und Sätze wie "Ich-darf-doch-nicht". Wo kein Boden gefunden werden kann, ist ein Nachnähren möglich: ein nährender Grund, ein Boden für Wachstum.

Schöpfer der Wirklichkeit

Der Lebensimpuls ist auf seine optimale Entfaltung hin ausgerichtet. Die Lebensbewegung eines Menschen beinhaltet also die Herausforderung, einschränkende Glaubenssätze ("die Mauer ist unüberwindbar") zu ersetzen. Im Rhythmus der Bewegung wird es vielleicht möglich, die Mauer zu teilen; es entsteht eine neue Möglichkeit - der Prozess kann weitergehen. Das heißt: Entscheidung zum Umgang mit Krisen oder zum Sprung ins Ungewisse.
Dies wird anfangs oft als Leere, Ratlosigkeit, als Ich-Tod erlebt - die Kernerfahrung eines jeden schöpferischen Prozesses. Die Entfaltung des Ichs gestaltet sich entlang der Bedingungen, die ein Mensch vorfindet. In einem neuen Bewußtsein und einem neuen Umgang können Möglichkeiten neu wahrgenommen werden. Er kann aus der Rolle des Opfers heraustreten.

Er wird zum Schöpfer seiner Beziehungswirklichkeit - auch jenseits der Arbeit am Tonfeld.